Monatsarchiv: März 2012

Ben von CNN

Der zeltplanenbespannte Garten der St. John’s Church in Maadi, gegenüber von der American School, ist voll. 200 sind gekommen, jung und alt gut gemischt. Der renommierte CNN Korrespondent Ben Wedeman, der von Kairo aus durch die „Hot Spots“ zwischen Afghanistan und Westafrika tourt, trägt seine „Reflections on the Current Middle East“ betont locker vor. Hinterlegt mit politischen Cartoons, die man sich unter http://www.mahjoob.com/ anschauen kann. Lohnt sich!

Jedenfalls sähe alles mehr nach einer langwierigen Reform denn nach einem „arabischen Frühling“ aus. Er blickt als Zeitzeuge zurück, sagt, man hätte es kommen sehen können. Die eher bange Frage aber sei die nach dem „day after“, und die meßbaren Veränderungen seien ernüchternd. Die Breitenwirkung einer solchen unbeantworteten Frage sei nicht zu unterschätzen. Ich finde, in dieser Bemerkung steckt etwas salomonisches: kann sein, dass das verratene Volk wieder auf die Straße geht, kann aber auch sein, dass Ängste den Militärs als „Retter der Nation“ in die Hände spielt. 40 Prozent der Ägypter überleben zudem nahe dem Existenzminimum. Doch den Pendelschlag kann auch Ben vom CNN nicht vorhersagen, unvorstellbar – sagt er – sei allerdings, dass der Prozess einer Demokratisierung aufzuhalten sei. Tantawi sei regierungsmüde. Nur: Was wird in Syrien? Wie destabilsierend wird die Wirkung auf die Region sein? Die zukünftige Rolle des Militärs bleibt also offen und eine der größten Herausforderungen.

Es hagelt Fragen, anschließend wird in Gruppen weiterdiskutiert, bis sich die eher kleine „deutsche Gemeinde“ in ein nahegelegenes Lokal zurückzieht und – auch – über Politik spricht.

Cairobeetles

Sitting in my Lieblingscafe an der Road no.9 at the saturday morning breakfest planing session. Da kommt ein Käfer vorbei.

Und irgendwo scheint auch ein  Nest zu sein. Ich verfolge die Spur bin in den letzten Winkel von Maadi und werde fündig. Nicht alle fanden die Kraft zu überleben. Endlich! Ich finde Vattern. Der hellblaue tuckert ventileklappernd, aber taufrisch aus einer Nebenstraße, hält stolz an und hupt begeistert, nachdem ich signalisiere, nun das Foto zu schießen.

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Also wenn, ja wenn, dann holen wir uns einen Käfer in Kairo.

Facettenhaftes Maadi

Den Sportclub Maadi gibt es seit 1923.

Inzwischen zahlt man für die Mitgliedschaft einen dreistelligen Dollarbetrag. Fußballplatz (hier im Bild) an Cafes, Schwimmbäder, Tennisplätze, Gym für die Kleinen, Korbball für die Großen, Kinderspielplatz.

Hinter der Mauer wechselt das Bild und zur Allee Cornesh Nile dann noch einmal, an der die Hochhäuser (am Horizont) stehen.

Das Freitagsgebet warte ich nicht mehr ab, vom Sportsclub geht es querbeet. Zwei Welten. Und dazwischen jeden Menge Facetten.Lassen wir Bilder sprechen. Was fehlt ist die Geräuchs- und Geruchskulisse, dieses beständige, vielstimmige Hupen, ein Geruchscocktail aus orientalischer Küche, Autoabgasen und Abfallfäulnis. Um 11 Uhr sind die Straßen belebt. Das Freitagsgebet wird wie überall per Lautsprecher, eben laut übertragen.

Ich trinke einen frisch gepressten O-Saft an der Moschee, vor der viele Gläubige auf Bastteppichen knien.

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Von hier ist es nicht weit zum Markt, Gemüse, auch einige Fischstände, Haushaltsgeräte. Ich muss meine Küche ausrüsten, erstehe eine Besteckgarnitur, ein Gewürzbrett im Schwarzwaldstil und hölzernes Rührwerkzeug in einem netten Kasten.

Irgendwo auf der Grenze zwischen den Welten gibt es Chickensandwich. Es ist stockfinster, als ich in der grünen Lunge Maadis zurück bin.

Militärs pflegen Image

Was sich genau hinter der Aussage verbirgt, dass den ägyptischen Militärs mehr als ein Drittel der heimischen Industrie gehört, ist mir nicht ganz klar. 30 Prozent des Kapitals? Berechnet nach…? Oder BSP. Aber auch der Gewinne? Zu versteuern? Jedenfalls scheinen ihnen einige gebührenpflichtige Autobahnen und Tankstellen zu gehören. Immer wieder bin ich an endlosen Kasernen vorbeigefahren, an einem Militärmuseum samt Park zur Kriegsniederlage am 6. Oktober gegen Israel (1973? mit jeder Menge Flugzeugen!) auch an der Tribüne, auf der Sadat ermordet wurde, die auf dem Weg vom Apartment in Maadi zum Büro in Heliopolis liegt. Links muss er gestanden sein. Jedenfalls ist das Militär allgegenwärtig, auch in den Köpfen, aber weitgehend unsichtbar, sieht man von den Schützenpanzern an neuralgischen Punkten der Stadt ab. Dafür aber sind viele Stadtteile frisch plakatiert. Zu sehen ist ein Soldat, der …, also seht selbst.

Ist er nicht nett?

Heute ist viel Verkehr

„El naharda el Dunia Zachma“ – heute ist viel Verkehr. So besingt der wohl populärste ägyptische Sänger Achmed Adojea die alltägliche Lage der Stadt. Angeblich fahren auf Kairos Straßen mehr als 2 Millionen Fahrzeuge, Durchschnittsalter: 25 Jahre, darunter manches gut gepflegte Schmuckstückchen, sogar einen Käfer mit geteilter Heckscheibe habe ich gestern gesehen. Es gelten keine Regeln, aber Verhaltensregeln, um den Verkehrsfluss am Leben zu halten (Gemeinschaftssinn…), und selbst möglichst unbeschadet zum Ziel zu kommen (… vor Eigensinn – gilt für 50% der Fahrer).

Aus reiner Beobachtung notiere ich: 1. Wer zuerst kommt, fährt zuerst, egal wo und wie und wann. 2. Sei bereit, intuitiv in jede Lücke hineinzustoßen. 3. Kenne die Abmessungen deines Autos wie im Schlaf. 4. Die Hupe ist deine Stimme und deine Seele zugleich, aber Fingerzeichen dürfen verwendet werden. 5. Blockiere keine Kreuzung, wenn es sich vermeiden läßt, eher großzügig auszulegen. 6. Lege dich nicht mit der Polizei an, aber du musst sie nicht wirklich respektieren, fahr einfach weiter. 7. Versuche nicht, einem Stau auszuweichen, du wärst nicht der einzige. 8. Letzer und wichtigster Grundsatz: Leben und leben lassen. Das ist doch etwas womit ein Kölner gut leben sollte, wobei ich nicht immer weiss, ob der Kölner es leben möchte. Die Frage, ob es hier exotisch ist, soll in einem der nächsten Blogs erörtert werden. Hier schon mal Bilder von verschiedenen Bürgersteigen

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Auf nach Maadi

Ich beziehe Quartier in dem rechts-Nil-Bezirk El Maadi. Sozusagen die Schäl Nile Sick. Aber mit Cafes wie hier das Cilantro, wo man gerne Sandwichs isst.

Wobei Kölsche Arithmetik am Nile nicht aufgeht. Zumal wegen der Inseln, wie das auf einer Insel im Nil gelegene Stadtviertel Zamalek, wo Botschaften sich tummeln, wohin man gerne ausgeht und wo die Restaurantdampfer liegen. Immerhin: Die Pyramiden sind auf der „richtigen“ Seite, nämlich links-Nilich. Oh Cologne.

Hier sind wir im grünen Maadi, an der angeblich berühmten „Straße 9“.  Maadi jedenfalls ist etwa so groß wie, naja Köln. Kunterbunte Gegensätze.  In einem der Cafes haben wir die Provision ausgehandelt, die Akteure sind augenscheinlich skeptisch, ob das klappt. Die Preise sind gesalzen.

Doch am Ende hat noch allet jut jegange. In einem der Häuser im 6. Stock übernehme ich die Wohnung von Denis, einem Amerikaner, der nach 20 Jahren vom Nil an den Hudson River heimkehrt. Seine Kinder sind hier aufgewachsen. Er hinterläßt mir sein gesamtes Mobiliar inklusive Tischtennisplatte. Platz ist genug, 350 qm, 4 Schlafzimmer. Die kann ich mal ablichten, wenn ich eingezogen bin. Rechts: das Haus.

Man sagt, 40 Prozent der Wohnungen in Kairo befänden sich im Leerstand. Sicher ist das schön gerechnet, denn bewohnbar sind viele nicht mehr. Auch im oberen Preissegment übersteigt das Angebot die Nachfrage bei weitem: Viele „Expats“ sind gegangen.

Vielfach wird von der Substanz gelebt. Das spüre ich noch nicht bei mir um die Ecke, im Mc Donaldy, wo ich zur Feier der Vertragsunterzeichnung einsam einen Milkshake vernichte. Doch 15Minuten zu Fuß bin in einem anderen Maadi, zu dem es an dieser Stelle nur ein schnappgeschossenes Foto zu sehen gibt. Und demnächst eine ganze Fotoleiste.

Stadtwärts

In der ersten Woche sitze ich halbtags in einem schlicht-funktionalem Büro. Die Nachmittage aber geht es auf Wohnungssuche. Zum Beispiel von den Stadtbezirken Heliopolis über Zamalek nach Maadi. Das ist etwa wie von Bonn über Köln, Heumarer Dreieck, nach Neuss, zur besten Stop and Go Zeit. Nur die Fahrweise, dieses „space management“, das Hineinstoßen in jede noch so kleinste Lücke, häufig auf Spiegelfühlung, die ist gewöhnungsbedürftig. Außerdem gab es tagelang kaum Benzin, rund um Tankstellen kollabierte der ansonsten stetige Verkehrsfluss. Ich saß vermutlich mehr als 30 Stunden im Auto, in der ersten Woche. Dabei entstanden auch wieder Schnappschüsse, die die Eindrucksvielfalt wiederzugeben versuchen.

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Impressionen von Khan el Khalili

Khan ist persisch und bedeutet Warenhauslager. Khalili war Baumeister und Architekt, der das Marktviertel errichten liess. Mehr als eine Million Menschen wohnen in diesem zentralen Viertel. Ich passiere die wohlhabenden Gold- und Gewürzhändler, die Souverniershops stehen heute vereinsamt dar, während es im Bereich der Texitilen kein Durchkommen gibt. Zwischen Karren, Kleinwagen und Menschenleibern hindurch geht es in ruhigere Gefilde. Mit der kleinen Leica nehme ich zumeist von der Hüfte aus einige Schnappschüsse, eine unauffällige Kamera. (mehr Fotos siehe auch den letzten Beitrag „Ankommen in Kairo“)

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Ankommen in Kairo

„Allways do it step by step“, sagt Mourad, Fahrer, Begleiter, Helfer in allen Lebenslagen. Also langsam eintauchen, denke ich, und schwimmen lernen. Ich starte in Khan el Khalili, dem Marktviertel, einst ein Touristenmagnet, nun aber fast ausschließlich von Kairoanern frequentiert. Ich warte am Eingang in einem Cafe den Beginn des Freitagsgebets ab. Ich muss gestehen, es geht mir durch und durch, beschwörend laut ist die Ansprache, hunderte von Männern kniend, bis in die Seitenstraßen hinein rund um die gewaltige El Azhar Moschee.

Wen es interessiert: Der Tag ist fünf Mal von Gebeten unterbrochen, eingeteilt damit der Tagesablauf in fünf Abschnitte. Heute sieht die Tabelle wie folgt aus:

Fajr (Dawn): 4:24

Dhuhr (Noon): 12:00

 und die weiteren sind:

Asr (Afternoon): 3:30

Maghrib (Sunset): 6:10

Isha (Evening): 7:28

(steht in jeder Zeitung in Kairo, zumeist S.1)