Archiv der Kategorie: Reisen

Wüste, Pyramiden, Fotos, andere Städte im südlichen Mittelmeerraum

Zu Gast bei Mohamed Helal

Es ist die schönste Zeit in Ägypten, wenn es nach dem Obst geht. Es ist die Zeit der Mangos. Limetten werden einem nachgeschmissen, Melonen, Pfirsische, Pflaumen, Orangen gibt es, wahlweise frisch oder versaftet. Angebaut wird in den Oasenplantagen rund um Kairo, freilich auch im Nildelta.

Mangos am BaumIch bin  mit Mohamed Helal verabredet, einer der Pioniere des biologisch orientierten Anbaus in Ägypten.  Am frühen Morgen geht es los in Richtung Wadi Natrun, rund 20 Kilometer außerhalb Kairos. „Dieses Fleckchen Erde hat Jesus geküsst“, sagt Mohamed auf der Hinfahrt. Und er bekräftigt:  „Wirklich, es ist sogar überliefert“. Mohamed ist Muslime, ich bin mir unsicher, wie ernst es gemeint ist. Mit dem Anbau aber meint er es ernst. 20 verschiedene Mangosorgen will er mir zeigen. Mir war bislang nicht klar, dass es überhaupt mehr als zwei gibt, eine kleinere und die großen halt.

Die Plantage ist einige Hektar groß. Kreuz und quer geht es durch die Baumkulturen. Mangobasket 2Immer wieder kreuzt er die Sorten, um besseres zu züchten. Er ist sichtlich stolz, einer der ersten Agrarökonomen zu sein, der hierzulande biologisch und nachhaltig anbaut. Keine Pestizide, natürlicher Dünger und sehr viel Pflege.

Worker 125 Bauern kümmern sich um die Bewirtschaftung und und Ernte. „Die Pflege der edlen Bäume ist das aller wichtigste“, sagt er und bricht einige verdorrte Zweige von seiner letzten Mangozüchtung (siehe Bild unten). „Ich habe die Arbeiter nach meinem Studium persönlich ausgebildet“, berichtet er.

Mohamed Helal 1

Mohamed Helal, 61, vor einer Mango Neuzüchtung, gekreuzt aus einer ägyptischen und einer in Australien wachsenden Sorte

Der Wein ist bereits abgeerntet, die Dattelernte steht unmittelbar bevor. Die Dattelpalmen tragen schwer mit der Frucht, insgesamt dürften hier einige Tonnen zu ernten sein.

Datteln u Workers 1Limonen, Limetten und 8 Sorten Datteln, darunter einigte besonders edle, zeigt er mir auf seiner ersten und kleinsten von insgesamt drei Plantagen. Die Früchte werden aufwändig veredelt, konserviert, exportiert, vielleicht um auf deutschen Adventstischen vernascht zu werden.

„Am liebsten würde  ich genau hier, inmitten meiner ersten Plantage leben. Hier lebt man noch nach anderen Gesetzen. Ich bin der Sheikh in dieser Region, derjenige, der im Falle von Streitigkeiten vermittelt und am Ende entscheidet. Ach, ich weiß es nicht, im Moment ist es nicht so weit, es geht uns in Zamalek nicht schlecht.“

Ahmed, der die Farm in seiner Abwesentheit leitet, gibt Mohamed gerade geerntete Limetten. Ich kann es nicht verhindern, doch eine ganze Kiste Obst geht mit nach Heliopolis.

Worker 4Es war nur wenige Tage nach den Gewaltexzessen, als wir fuhren. Inzwischen ist es ruhiger geworden in Kairo. Die harte Hand der Generäle zeigt Wirkung. Aber das Militär zeigt Präsenz. Wir passierten eine Panzerkolonne, immer wieder stehen gepanzerte Fahrzeuge mit schussbereiten MGs am Straßenrand. Ein offenes Gespräch entwickelt sich.

Mohamed ist konservativ, kennt führende Militärs persönlich und versuchte mir immer wieder deutlich zu machen, dass es gar keine Alternative gegeben habe als unerbittlich vorzugehen. Für ihn sind die „Brotherhood“ einfach Faschisten. Was ich gesehen habe, gelesen, aus vielen Gesprächen erfahren, deckt sich nicht mit seiner Wahrnehmung. Falls es überhaupt um Wahrnehmung geht. Medienvielfalt und wahrheitsgetreu recherchierte Berichte sind hier, in diesen Zeiten, Mangelware.

Stilleben im Zentrum der Plantage

Stilleben im Zentrum der Plantage

Mohamed wollte eigentlich nur kurz an seiner Plantage halten und gleich weiterfahren. Doch wir blieben zwischen Früchten, Palmenalleen und seinen wissenschaftlichen Anbaumethoden hängen, inspizierten Wasserbrunnen und Taubenhäuser zwischen Rebenanbau.

Taubenhaus und Wein Doch nicht als Biobauer hat sich Mohamed einen Namen gemacht. Vielmehr ist er ist bekannt als der „Mister Energie Efficient“ Ägyptens. Mit seiner Firma „Futek Egypt“ ist Mohamed Helal der landesweit größte Hersteller energieeffizienter Lampen und Leuchtmittel, noch vor Philips.  Um die Mittagszeit fahren weiter nach Sadat City, wo er mir seine Fabrik und sein Forschungslabor zeigen will, bereit für das nächste Shooting … aber nur Fotos! … doch mehr davon in einem späteren Beitrag.

Women on Walls

Luxor hatte an jenem Tag mehr zu bieten als Tempel. Neben dem Hotel, in dem wir abgestiegen waren, entstand in der Nacht an einer freien Mauer ein Graffiti der Bewegung „Women on Walls“ (WOW). Die Aktion, die ich eher zufällig entdecke, beginnt am Abend mit einer Gruppe junger Frauen und Männer. Sie haben sich organisiert in der ägyptischen Frauenrechtsbewegung Bahaya Ya Masr. Diese feierte zum Internationalen Frauentag auf dem Tahrir-Platz gerade ihr einjähriges Bestehen. Geehrt wurden besonders Hend Nafea, Randa Samy und Fatma Khedr für ihren Beitrag zur Revolution in Ägypten.

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Die Grafitti-Aktion “Revolution Graffiti: Street art of the new Egypt” versteht sich als Bewegung.  Ähnliche Aktionen hat es in anderen Ländern gegeben, ausgehend von „Women on Walls“ in Israel. Das allerdings steht nicht auf der Webseite. Sie hat es geschafft, „mehr als dreißig Künstler in einer dynamischen Straßenkunstaktion zusammenzubringen“, erläutert Bahaya Ya Masr. Die Aktion in Luxor ist gut vorbereitet. 6482-Womanonwall-2

Was mir auffällt ist das Nüchterne, der die gesamte Aktion durchzieht. Die Vorlagen werden zügig angebracht, und nach dreißig Minuten beginnen die Künsterinnen mit den Malarbeiten. 6484-Womanonwall-3 Drei Jahre nach der Arabellion ist der Blick hoch zur Künstlerin auf der Leiter einen kurzen Moment lang skeptisch. Dann wird wieder betriebssam und konzentriert weitergearbeitet für eine Sache, die einen starken künstlerischen Antrieb hat.

In der „Egypt Independent“ wird berichtet: „During the project’s second phase, artists will visit each of the four cities Luxor, Mansoura, Cairo and Alexandria and design meaningful interpretations of women’s empowerment. 6486-Womanonwall-4

The aim is increasing women’s visibility and positively affecting the collective consciousness of each community.“

Nur wenige Passanten bleiben stehen und nehmen Kenntnis. Es ist nicht das Ziel, mit der Graffiti-Aktion selbst Aufmerksamkeit zu erregen. Die Künstlerinnen schaffen, ohne irgendeinen Einfluss von außen wahrzunehmen. Was zählt ist das Ergebnis, das Bild, das hinterlassen werden soll.spacer936405_593343740690054_926342085_n Am nächsten Morgen ist es zu sehen.

http://www.womenonwalls.com

http://www.egyptindependent.com/news/women-walls-campaign-empowers-women-street-art

https://www.facebook.com/events/431966720229187

von Marcel

Theben Ost und Theben West

Finanziert vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV erreichte die „königliche preußische Expedition“ 1842 Theben, genannt Luxor, fasziniert von den wichtigsten Überresten der altägyptischen Kultur. Der Leiter, ein gewisser Herr Lepsius,  erforschte aber nicht nur (als einer der ersten Archäologen) unter anderem die Gräber im Tal der Könige, sondern er bediente sich reichlich. Ganze Sääle und Salons in Berlin sind gefüllt damit und legen Zeugnis ab.

Wir machen uns die Mühe und sind mit dem Nachtzug aus Kairo angereist. Wir begeben uns unversehens zu Tempel von Karnak am Nordrand von Luxor, um zu sehen, was noch übrig ist. Es ist ein heißer Tag im April. Alan und Janis haben hin und wieder einen Schattenspender nötig.

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Gottlob gibt es inzwischen das Digitalmedium zum Mitnehmen der schönsten Ansichten einer seit Jahrhunderten geöffneten Dauerausstellung. Die Zeiten von Lepsius sind vorbei. Wir tauchen ein in eine vier, fünf Jahrtausende alte Welt der Symbolik, der Götterphantasie und Selbstinszenierung.

6342-Karnak-Hypostyl-gesamt6345-Karnak-Horus-HyroglyphRatselhafte Götterwelten sind es für unsereins allemal, denn unser Wissen um Sonnengott Ra und hunderte andere Gottheiten sind begrenzt. Hilfreich sind die Götterlexika im Internet, um sich die immer wiederkehrenden Zeichenkombinationen zu erschließen. Hier zum Beispiel der Horusname.

Karnak liegt am rechten Nilufer in der Stadt, also dort, wo die Sonne aufgeht – im Diesseits nach altägyptischem Verständnis. 6352-Karnak-gr-ReliefUnd riesig ist die Anlage. Wir wandern vorbei an gewaltigen Säulenhainen, einem künstlichen See und immer neuen Mauerformationen rund um den Obelisken.

6380-Obelisk-u-PalmenDieser eine ist geblieben, den anderen hatte Napoleon auf dem Place de la Concorde aufstellen lassen mangels geeigneter eigener Objekte.6374-Karnak-Säulen-mit-Mann6386-Karnak-Relief-Hyroglyp

Am Tag zwei begeben wir uns per Taxi nach Theben West. Dies ist der Ort des Jenseits, an dem die Sonne zur Reise in das Reich des Todes versinkt. Es ist ein Ort des Todeskultes, der in diesen Dimensionen in der Menschheitsgeschichte vermutlich ihresgleichen sucht. Nicht, dass wir den Anspruch hätten, in die Nuancen einzutauchen. Man bräuchte eine Woche oder länger, allein um die 30 oder mehr Grabkammern im Tal der Könige, davon einige Stollen mit über hundert Metern Länge, zu besichtigen. Wenn sie denn geöffnet hätten.6457-Sassi-i-Tal-d-Könige

Im Tal der König verläßt uns ohnehin die Kraft. Die meisten der Thumben sind verschlossen, weiß der Pharaonenhimmel warum. Stil des Hauses der Wächtergilde, vielleicht auch um das Angebot zu verknappen und am Personal einzusparen. 6459-i-T-d-Könige

Man erfährt es sowieso erst an der Einfahrt ins Tal und darf dann wählen. 3 Gräber für 50 Pfund die Person. Macht 25 Euro. Manches bleibt eben auch heute rätselhaft. Wie die Steinmosaike, unter denen vielleicht gerade hier noch ein unentdeckter Thumb schlummert voller Gold und anderer Reichtümer.

6400-Deit-el-Medina-ReinigeIn einem der Tempel wird gerade an den Reliefs gearbeitet, mit Borsäure werden Einschwärzungen beseitigt, die Besucher nach Gebrauch eines Lagerfeuers hinterließen. Einige Jahrzehnte sind vergangen zwar, doch überrascht es uns? Im übrigen haben auch die wenigsten Ägypter Luxor besucht, man hat es einfach und damit gut iss. 6410-el-Medina-Relief-eroti

Wir entdecken im Reich der Toten eine klar erotische Komponente, die weiterer Erklärung nicht bedarf. Ansonsten schlagen wir nach, um Götter und Herrscher zu entziffern, aber wir begreifen es einfach nicht: Wie war es möglich, dass die Baumeister von einem derartigen Perfektionismus inspiriert waren? Im Tempel zu Ehren von Amun, dem Sonnengott steht man weißgott fassungslos vor Sockeln, Statuen und Säulenhainen.

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6429-Amun-Tempel-3-Säulen6436-Amun-und-SchafsherdeViel ist nicht los im Tal der Könige, fast ein wenig verträumt wirkt der Tempel des Amun, als wir uns an seinem Eingang in einer Teestube erholen. Den Besuch des Tempels von Hatschepsut haben wir uns für den Schluss ausgehoben, als die Kraft der Sonne ihren Höhepunkt erreicht.

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Es sind dies Bilder wie sie millionenfach in den Erinnerungsalben von Besuchern zwischen Tokio und Sonstwo schmoren, gewiß. Um zu sagen: Wir waren hier, an diesem Ort, der sicher zu den beeindruckendsten überhaupt gehört. Wir verlassen das westliche Theben, an dem zwei riesige Kolosse stehen, mit dem Gefühl, kulturell nicht mithalten zu können. Hinter den Felsen irgendwo ist ein Tal, in dem sich die Könige ein Jahrtausend lang haben bestatten lassen. Ja, wenn es denn alles so einfach wäre.

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Kriminalität und Toleranz – ein „heißes Eisen“

Bekannte, die unlängst bei einer Städtetour in Madrid um Hab und Gut gebracht wurden, wollen uns besuchen. Sie haben gebucht. Nun sind sie verunsichert, die Eltern raten sogar dringend von der Tour ab. Besorgte Nachfragen erreichen uns nicht zum ersten Mal. Vielleicht sollte man von Menschen angesichts der Medienberichte nicht zu viel verlangen – also einfach abhaken.

Am Tor der Sultan Hassan Moschee, Kairo

Am Tor der Sultan Hassan Moschee, Kairo

Aber können wir diese Verunsicherung nur als medienbedingte Lapalie abtun? Bohrende Nachfragen zeigen, dass das Misstrauen tiefer liegt, wie es gegenüber dem Islam inzwischen zum deutschen Alltag gehört, mehr noch gegenüber allem Arabischen, gegenüber dem Orient – ein uralter Kulturreflex des Abendlandes. Da geht man nicht nach Kairo, basta! Nun seien Ausländerinnen massenhaft vergewaltigt worden, tönt es. Haben wir da was übersehen? Es hat Übergriffe gegen ägyptische Frauen gegeben, es sind vereinzelt arabische Frauen vergewaltigt worden, Ausländerinnen soweit wir wissen nicht.

In der Moschee, Kairo

In der Moschee, Kairo

So viel zu den Fakten, die allerdings erschreckend sind. Es geht angesichts solcher Vorfälle darum, dass man Grenzen erkennen und sich verantwortlich verhalten muss, wenn man sein Veedel verlässt. Zumal wenn er und sie kulturell fremden Boden betritt. Wer sich nicht konfrontieren will, muss es auch nicht machen. Aber diese Art von Hysterie befremdet uns, die wir uns entschlossen haben, eine ganze Zeit in Kairo, in Ägypten zu verbringen.  Was uns irritiert ist diese augenscheinliche Fremdenfeindlichkeit, die in deutschen Haushalten nicht wenig verbreitet ist. Dazu bedarf es offenbar auch einer entsprechenden „aha, wusste ich es doch schon immer“ Berichterstattung, die tiefer sitzende Vorbehalte unter dem Deckmantel journalistischer Objektivität nährt, im Graubereich von Wahrheit und Vorurteil. Bildhaft würde man dann in Kairo das Haus nicht verlassen, weil man in jedem männlichen Wesen einen potentiellen Vergewaltiger und Dieb vermutet. Ja, bleibt zu Hause, möchte man rufen, bleibt in Eurem Veedel, denn ihr seid „zu“. Euer selbstverliebtes „jeder Jeck ist anders“ hat eine Kehrseite, aber keine gute.

Janis vor  mittelalterlicher Säule, Sultan Hassan Moschee, Kairo

Janis vor mittelalterlicher Säule, Sultan Hassan Moschee, Kairo

Zu hart? Gar ungerecht? Es schaut politisch und wirtschaftlich freilich in Ägypten nicht gut aus. Aber ist man deshalb berechtigt, in seiner Ahnungslosigkeit alles und alle einen Topf zu werfen? Wohl kaum. Wer wie wir in Kairo zum Beispiel häufig mit der Metro unterwegs ist, erlebt ein Maß von Interesse, Rücksichtsnahme und Respekt, wie es in deutschen Verkehrsmitteln undenkbar ist. Wir kaufen ein im arabischen Viertel, wo wir inzwischen mit großer Herzlichkeit begrüßt werden, sicher auch weil wir gute Kunden sind. Wer Menschen noch freundlich ins Gesicht schauen und lächeln kann, wird nicht als Ungläubiger verachtet oder misshandelt, sondern mit einer geradezu archaischen „Welcome“ Haltung begrüßt. Wie oft bin ich gefragt worden, ob ich das Land und die Menschen mag? Die Frage ist sogar ernst gemeint, hier zu Lande, wo man Deutschland so sehr bewundert, dass man es als einseitig zurückweisen muss. Die Zuneigung beruht nicht auf Gegenseitigkeit, so viel ist gewiss.

Backstage Khan el Khalili, arabisches Viertel, Kairo

Backstage Khan el Khalili, arabisches Viertel, Kairo

Gewiss, jugendliche Motorradfahrer haben vor einigen Monaten unserer Tochter das Handy aus der Hand gerissen, vor den Augen von untätigen Polizisten. Wir waren empört, sind mit dem zuständigen Polizisten in das Hauptquartier der Polizei in unserem „Maadi-Veedel“ gegangen, und haben den leitenden Offizier „zur Rede gestellt“. Wir haben offen gesagt, was wir davon halten. Er hat uns ausreden lassen, wohl etwas überrascht zugehört, sein Bedauern ausgedrückt, aber uns nicht belästigt, beleidigt oder angegriffen. Das Gespräch war sozusagen respektvoll, zivilisiert, wie man es in einem deutschen Polizeirevier vermutlich nicht erlebt hätte.

arabischer Markt in Maadi, Kairo

Arabischer Markt in Maadi, Kairo

Kairo ist eine der Metropolen der Welt, die Respekt, Würde, Toleranz verlangt. Vielleicht ist es das, was manchem Deutschen abhanden gekommen ist. Vor allem: Man sollte schon etwas genauer hinschauen. Kairo ist eine Stadt mit wachsender Kleinkriminalität, aber erst auf dem Weg zur „Normalität“ und noch weit entfernt von Kriminalitätsraten europäischer (Klein-)Metropolen wie Berlin und Frankfurt am Main, Paris und Marseille, Barcelona und Madrid, Rom und Neapel, Amsterdam und Brüssel, und nicht zuletzt London, der Stadt mit einer der höchsten Kriminalitätsraten weltweit. So auch ein seriös recherchierter Bericht im Spiegel http://www.spiegel.de/politik/ausland/nach-praesidentenwahl-erhoffen-sich-aegypter-mehr-sicherheit-a-834970.html

Backstage Khan el Khalili, Kairo

Backstage Khan el Khalili, Kairo

Auch andere Fakten sind beunruhigend, die Kriminalität betreffen. Seit Jahresbeginn wurden in Deutschland laut offizieller Statistik 5.866 Frauen vergewaltigt, immerhin mehr, als Autos geklaut wurden, nur dass das Thema offenbar nicht medientauglich ist. In der Statistik rangiert Kairo trotz der Tatsache, dass jeder Dritte hier unter der Armutsgrenze lebt, (gefühlt) noch immer weit, weit hinten. Seriöse Statistiken haben wir nicht gefunden, aber Bilder hängen schief. Kleine Ironie am Rande der Geschichte: Bei uns zu Hause, also in Köln, wurde keine sechs Wochen nach unserem Umzug, die gerade neu eingebaute Hintertür aufgebrochen und zerstört. Das, was es Wert schien, wurde ausgeräumt. Es dauerte nicht lange, dann war auch das Verfahren aus Mangel an Erfolgsaussicht eingestellt.

Die Fotos entstanden beim Besuch der Familie aus Deutschland Anfang Februar 2013

Ein Bild, das nicht ins Bild passt - Sheikh in der Sultan-Hassan-Moschee

Auch ein Bild, das nicht ins Bild passt – Sheikh in der Sultan-Hassan-Moschee

Out of Cairo: die Oase Siwa (I)

SIWAs Datteln im Abendlicht

SIWAs Datteln im Abendlicht, Blick über einstürzende Gräber

Jüngst sind wir zur Oase Siwa. Die liegt 560 km westlich von Kairo in einer Senke nahe Lybien, ein 80 qkm grosser Flecken mit zehntausenden Dattelpalmen und Olivenbäumen, eingebettet in Dünenlandschaften, umringt von Salzseen. Berber leben hier, die letzten, die in Ägypten noch immer ihre eigene Sprache sprechen. Es ist ein entlegener Ort mit einer facettenreichen altägyptischen, griechischen, römischen Geschichte, und wir hatten so viel Interessantes gelesen, dass wir unbedingt bei erträglichen Temperaturen hin wollten, obschon derartige Überlandfahrten zumal bei Dunkelheit nicht empfohlen werden. Ging trotzdem, unterwegs nichts außer Sand-Stein-Mondland, und ab und an ein Bohrturm oder eine Militärkontrollstelle, auch unbeleuchtet, siehe vorhergehenden Blogeintrag. Nicht zu vergessen das „Cafe“ daneben, eine wilde Mischung aus Süßkramangebot, Getränke- und Kleiderverkauf, etwas unwirklich, etwas unwirtlich – „Out of Cairo“.

In Siwa gibt es 19 Hotels, wir nächtigen hier

In Siwa gibt es 19 Hotels, wir nächtigen hier

Übernachtet haben wir im „Dreamlogdehotel“ gemauert aus pitoresk verkleidetem Stein, kann man sich aussuchen, was man lieber mag: Dream, Logde oder Hotel. Ich denke Lodge. Zum Frühstück gabs Bohnensuppe, Felaffel, hart gekochte Eier, Schafskäsesalat und Fladenbrot. Und Nutella. Abends Kartoffeln und Marshmellows am Lagerfeuer mit Gästen aus aller Welt. Die Lodge liegt im Norden der Stadt am Fuße des Gebel el-Mauta, einem Berg mit Gräbern aus der 26. altägyptischen Dynastie und der ptolemäischen Zeit. Hier haben wir die Sonne aufgehen und versinken lassen in den sandenen Horizont.

Der Aun Tempel erhebt sich auf einem der Tagelberge

Der Aun Tempel erhebt sich auf einem der Tafelberge

Wir sind dann auf Klapperfahrrädern durch die Dattelpalmenhaine und erstiegen manche Erhöhung. Über ein Meer dunkelgrüner Palmenwedel schaut man dann zu den Dünen hinüber von eigentümlichen tafelbergartigen Erhebungen mit zerfallenen Häusern und Mauern aus Lehmsalzbruchsteinen, einstürzenden Grabkammern und Höhlenhäusern, die der letzte Regen vor 15 Jahren einstürzen und regelrecht zerschmelzen liess.

Zerfließende Mauern in der einigen Festung von Siwa

Zerfließende Mauern in der eigenartigen Festung von Siwa

Immer mehr Menschen haben sich daher entschlossen, ihre Lehmhäuser zu verlassen und mit festem Stein zu bauen. So entstand ein eigenartiges Konglomerat aus alt und neu, aus in sich verschachtelter Architektur in weißem Quaderstein und sandfarbenem Lehmbau. Wenige Häuser sind verputzt, die alte Substanz bröckelt hier und sinkt dort in sich zusammen, dazwischen Familienleben, Werkstätten mit Marginalien, Verkaufsstellen und allerlei Haufen, in denen bisweilen menschliche Überreste säuerlich vergehren.
(Wird fortgesetzt)

Der Aufpasser wohnt auf dem Gräberberg Gebel el Mauta

Der Aufpasser wohnt auf dem Gräberberg Gebel el Mauta, es ist Vollmond

Warten auf die Touristen

Touristenflaute trotz Hochsaison

Touristenflaute trotz Hochsaison

Wozu auch in die Ferne schweifen, ist Nofretete doch so nah. Ägypten lässt sich derzeit bequem und sicher in Berlin „bereisen“.  Die Schöne ist auf der Museums-Insel neben über 1.000 weiteren Exponaten aus dem Reservoir der Beutekunst zu besichtigen.  Die Anziehungskraft des Alten Ägypten ist ungebrochen. Über eine Million Besucher haben die Zeitreise an der Spree schon angetreten.

Ganz anders im aktuellen Ägypten

Hier ist jetzt eigentlich Hauptsaison. Angenehme 20 Grad, ein frischer Wind.  Ich wandere um die Pyramide von Sakkara. Zu hören ist nur das Hämmern an der Ausgrabungsstätte des Deutschen Archäologischen Instituts. Alle paar Minuten  werden mir Kamel-Ritte, Getränke oder Souvenirs angeboten.  Die vielen Touristenführer kletten sich an die wenigen Reisenden. Auf dem Weg zu den Pyramiden von Giseh schwang sich vor kurzem gar ein verkleideter Kameltreiber mit Peitsche auf den Kofferraum unseres Taxis. Ein Führer stellt sich als Abdallah vor. Er spricht etwas Englisch und offeriert mir mir, die Grabkammern anzuschauen.  Ich nehme gerne an und drücke ihm einen kleinen Schein in die Hand. Seit Tagen sei ich die Einzige, die sich die Gräber sehen möchte und er wisse nicht mehr, wovon er leben soll, erzählt Abdallah. Er möchte unbedingt ein Foto mit ihm und mir darauf. Der Tourist mit Seltenheitswert als Foto-Objekt. Eigentlich sei ja Fotografieren ja hier verboten, aber….  Ich drücke ihm noch einen kleinen Schein in die Hand. Dann darf das Foto gemacht werden.

Der Tourist wird selbst zum Foto-Objekt

Der Tourist wird selbst zum Foto-Objekt

Seit der Revolution vor zwei Jahren ist die Zahl der Touristen um 30 Prozent eingebrochen. Gleichzeitig sind die Preise pro Bett von 78 auf 55 US-Dollar gesunken, berichtet Michael Wurche, Tourismus-Experte und langjähriger Lufthansa-Manager für den arabischen Raum,  in der Deutsch-Ägyptischen Handelskammer. Von einst über 500 Kreuzfahrt-Schiffen verkehren noch 12 auf dem Nil. Die Absage eines Freundes passt ins Bild. Er wollte mit AIDA Kreuzfahrten durch den Suez-Kanal schippern. Der Veranstalter hat die Reise gestrichen. Schließlich sind gerade Städte wie Port Said entlang der Suez-Passage Brennpunkte der Auseinandersetzung um den Kurs des Landes.

Frieren vor den Grafitis der Revolution

Frieren vor den Grafitis der Revolution auf dem Tahrir-Platz

Wie wir die Gefahren erleben

Die Fernsehbilder machen Angst. Wir empfangen hier dank Satellit die Ägypten-Berichterstattung deutscher Sender. Dazu lesen wir die Berichte von  Vergewaltigungen und brutalen Misshandlungen von Frauen auf dem Tahrir-Platz. Sinnbild für die Verrohung von Menschen am Abgrund. Anscheinend gibt es nichts mehr zu verlieren. Eure besorgten Nachfragen, ob hier nun gänzlich Anarchie ausgebrochen ist, verstehen wir daher nur zu gut. Seit  Jahresbeginn 2013 ist die Sicherheitslage diffuser geworden, die Steine des Anstoßes vielfältiger. Die gewaltsamen Ausschreitungen beschränken sich nicht mehr auf ein paar wenige symbolträchtige Plätze. Hier wird ohne Ankündigung eine Nil-Brücke blockiert. Dort braut sich ein kurzerhand ein Demonstrationszug zusammen –  mit den entsprechenden Folgen für das ganz normale Leben siehe „Ägypten im Stau“.  Die Frequenz der E-Mails des Auswärtigen Amtes hat zugenommen. Der Inhalt ist gleich geblieben: Menschenansammlungen,   bestimmte Regionen des Landes wie die Küstenstädte am Suez-Kanal und Sehenswürdigkeiten wie Katharinenkloster auf dem Sinai sowie nächtliche Überlandfahrten sind zu meiden.

Unfall auf dem Weg zur Oase Siwa

Den Hintergrund für letztere Warnung haben am eigenen Leib erlebt. Über ein verlängertes Wochenende sind wir zur 600 Kilometer Luftlinie von Kairo nahe der Grenze zu Libyen gelegenen Oase Siwa aufgebrochen. Die Abfahrt war ein einziges Chaos. Nachdem unser Fahrer Mourad dreimal ab und viermal zugesagt hatte, stellen wir fest, dass einer unserer Koffer schon bei der morgendlichen Fahrt zum Büro im Taxi liegen geblieben war. Wir kamen also mit guten zwei Stunden Verspätung erst nachmittags los.

Mit Einbruch der Nacht hatten wir erst ein Drittel der Strecke geschafft.  Unser Fahrer war ohnehin schon von der vorhergehenden Party-Nacht geschwächt. Wir versuchten noch lange, ihn wach und bei Laune zu halten. Doch nach Mitternacht übermannte uns alle der Schlaf. Dieser endete abrupt durch einen Knall. An einem komplett unbeleuchteten Militärkontrollpunkt hatte unserer Fahrer mehrere Tonnen gerammt, die dort ohne jede Vorwarnung als Straßensperre standen. Ham’dullah, niemandem ist etwas passiert.  Doch das Auto musste erst mal aus dem Verkehr gezogen werden und für 6000 Ägyptische Pfund repariert werden – ein Vermögen für Mourad.  Wir haben die Oase dank Mourads Bekanntem, der jemanden kannte, der jemanden kannte dann in den frühen Morgenstunden doch noch erreicht. Sie ist  wunderschön und im Nachhinein alle Strapazen wert. Die Bilder-Reise kommt im nächsten Blog-Eintrag.

Kamele, Krokodile, Hunde

von Marcel

Bisher haben wir uns nicht lustig gemacht und dabei soll es auch bleiben. Ohnehin: Die Lage ist ernst. Wie ernst, darüber gehen die Meinungen schon wieder auseinander beim mittaglichen Gespräch im Team. Demonstranten strömen heute sternförmig zum Tahrirplatz.  Was eint sie, wer führt, und wohin?

Giza, Straße nach Fayoum

Aber schmunzeln wird man dürfen, wenn Kamele in die Wüste gebracht werden wie Eulen nach… Bitte keine Analogien, heute nicht! Wer weiß, vielleicht gehts gerade zum Kamelmarkt oder sogar zum Abdecken. Ein Schelm, wer hier eine Regierung entdecken will, stolz und unnachgiebig wie…

Zum Arbeitseinsatz in Fayoum, dem Gemüsegarten Ägyptens

Nun heißt es, man könne nicht immer vom Verhalten im Straßenverkehr ein Sinnbild für die Stimmungslage im Lande erkennen. Ginge man danach, gäbe es kein Halten mehr, aber Stau, noch mehr Stau. Doch selten entdeckt man so viel Aufbruchsgeist und Arbeitsbegeisterung wie auf selbigem Motorrad, verbunden mit einer klaren Verteilung der Aufgaben.

Motorrad von hinten, Fayoum

Man möchte Mr Mursi eine Scheibe davon abschneiden, aber bitte leise und ohne so viel Qualm. Dazu braucht es weder Dekrete, aber eine  Schubkarre für den ganzen Müll, der herumliegt, den braucht  Mursi schon.

Allerdings ist nachfolgende Szenerie durchaus dazu angetan, nachdenklich auf die Geschehnisse des Tages zu blicken. Das Krododil reißt das Maul schon in die richtige Richtung auf, doch diesen Hund kann er nicht erschnappen. Auf den Hund gekommen ist dieser Hund nicht, so vorwitzig, wie der seine Öhrche hebt. Scheinbar klein und schwach, doch bin ich da mal ganz skeptisch. Ein Lichtblick in der  Kuppel allemal. Danke, liebes Fayoum, dass Du uns die Beschreibung des Augenblicks erleichert hast, danke!

Die Kuppel im „Caricature Museum“ Tunis, Fayoum

Nefissa el Bakly

Nefissa el Bakly, Architektin, vor ihrem Haus

von Marcel

Von den Demonstrationen und Ausschreitungen rund um den Tahrirplatz erfahren wir über Freunde, vor allem über Nasser, der heute live für Nil-TV berichtet. Am Nachmittag telefoniere ich mit ihm. Er ist empört, aber gefaßt. „Im Moment ist alles ruhig“, sagt er. Wir selbst sind weit weg und gerade auf dem „Pottery Festival“ in Ezba el Tunis in dem riesigen Fayoum-Becken, dem „Gemüsegarten“ Ägyptens.

Hinterseite mit Dom

Was wir in diesen Tagen erleben, könnte der Abgesang der Revolution werden. Mursi als kleinen Pharaonen zu bezeichnen, wie es el Baradei von der internationalen Presse kolportiert erklärte, trifft die Übernahme der Judikative durch Mursi nicht ganz. Er erscheint eher als eine Napoleonkarrikatur, der außenpolitische Punkte der Vermittlung im Gaza-Kleinkrieg sogleich zu einer Machterbeutung im inneren zu nutzen sucht. Die Leute sind zu Recht stinkesauer. Doch was ist das Resultat? Noch mehr Imageverlust, noch weniger Touristen und Geschäftsleute und das Land rutscht immer weiter ab. Längstens hätten die Muslimbrüder beweisen müssen, dass sie eine Agenda haben, wie sie die drängenden Probleme des Landes angehen wollen, dass sie Lösungen parat haben. Im Moment wird gerade das letzte Porzellan zerschlagen.

Apro Pro Porzellan. Ezba el Tunis ist eine der ältesten Siedlungen des Landes und heute eines der Zentren Ägyptens für Keramik-Kunsthandwerk, über das in zwei Blogs die Rede sein soll. Doch Tunis ist mehr, ein Refugium für viele Künstler aus Kairo, die am westlichen Ende des 30 km langen und 4 km breiten Qarun-Sees eine zweite Heimat gefunden haben. Eine der PionierInnen dieses“neuen Tunis“ ist die Journalistin, Übersetzerin und Malerin Nefissa el Bakly, die vor über zwanzig Jahren mit dem Bau ihres Hauses begann. Dort, wo der Blick über die Felder und Palmen am Qarun See auf die lybische Wüste atemberaubend ist, hatte sie eine kleiner Parzelle Land erstanden. Der Besuch in ihrem Haus ist unsere erste Station beim Besuch des „Pottery Festivals“ Ende November, das in diesem Jahr weniger Menschen anzuziehen scheint, der politischen Lage wegen.

Durchgang zur Hinterseite mit Blick auf den Qaroun See

„Ich war von der Architektur und der Idee von Hasan Fathy begeistert“, erklärt sie bei unserem Rundgang durchs Haus. „Fathy wollte die Erneuerung Ägyptens von den ländlichen Regionen aus anregen, wobei er natürlich als Architekt wirken wollte. Er war viel in Tunis und half uns sehr in jenen Jahren, denn das Wissen um die Errichtung von Kuppenbauten aus luftgetrocktenen Tonziegeln war hier weitgehend verloren gegangen. Wir mußten sogar nubische Handwerker aus Edfa (Oberägypten) kommen lassen. Sie haben örtliche Handwerker ausgebildet.“

Nefissa, hier in der Funktion einer Architektin, liess das Haus Schritt für Schritt wachsen: Zuerst die Ostseite mit Schlafraum und Küche, dann in L-Form zwei Wohnzimmer und in der dritten Ausbaustufe zwei Räume mit den für die traditionelle Architektur typischen Kuppeldomen – die U-Anordnung war vollendet. Sie erläutert: „Ich baute immer weiter, wenn ich wieder etwas Geld angespart hatte, bis ich schließlich den schattigen Innenhof geschaffen hatte.“

Das Dom-Zimmer, links der See

Das Haus ist ein „Leckerbissen“ für Anhänger von Hassan Fathy, wie ich es bin. Die Wände sind rundum 45 cm dick und ganz aus Lehmziegln erbaut. In den Dom-Raum mit einer einzigartigen warmen Ausstrahlung bleibt es auch an heißen Tagen kühl, im milden Winter zwischen Dezember bis Februar ist es warm genug, um ohne jede Heizung zu „überwintern“.  Zur Not hilft ein kleiner Kamin aus. Das Haus ist damit ein Vorbild an Energieeffizienz, ein Kleinod. „Meistens sind die Lehmziegel eher bräunlich, und dunkler. Hier haben sie die Farbe der lybischen Wüste“, erzählt Nefissa beim Tee, den uns ihr Helfer auf der hinteren Plattform am Haus serviert. Wir schauen hinab zum See, der schon alttestamentarisch belegt ist, während Nefissa erzählt.

Begleite uns beim Rundgang

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Durst auf Nil-Blicke

Ankommen auf Elephantine – ein Eiland im Nil bei Assuan. Wir weiden erst mal nur die Augen an den Bilderbuchblicken. Ein schmaler Streifen saftigen Grüns säumt den Fluss. Dahinter erhebt sich direkt die Wüste dem mächtigen sandfarbigen Grabmahl des Aga Khan. Wie badende Elefanten liegen riesige von den Fluten rund geschliffene Granit-Rücken am Ufer. Den Namen hat die Insel aber entweder vom Elfenbeinhandel oder weil sie wie ein Stoßzahn geformt ist. Mustafa beobachtet uns schmunzelnd von der Seite: „Vielleicht ändert Ihr ja Eure Pläne und bleibt für immer hier“, so sei es ihm auch gegangen als er das erste Mal hier ankam. Mustafa hat uns zum Haus seines Bruders geschippert, der hier ein Appartement vermietet. Seit fast einem Dreivierteljahr hat es kein Tourist mehr betreten. Was die Bilder steinewerfender Jugendlicher auf dem über 1.000 Kilometer entfernten Tahrir-Platz in Kairo kaputt machen können. Hier wurde die Zeit jedenfalls genutzt, um das Appartement schön zu renovieren. Wir verbringen hier das Opfer-Fest Eid machen ein paar Tage Urlaub.


In der ägyptischen Mythologie spielt Elephantine eine zentrale Rolle als Wohnort des gehörnten Khnum, Gott der Wasserfälle. Zusammen mit den Göttinen Setis und Anukis wacht er über die jährlichen Nilfluten. Setis, Mutter des Nils, ist eine Tempelanlage auf Elephantine gewidmet. Das deutsche Archäologische Institut gräbt dort seit den 60er Jahren und hat eine ganze Siedlung zutage gefördert (Die Ausgrabungen besichtigen wir im nächsten Teil der Assuan-Zeitreise).

Seit 5.000 Jahren leben hier Nubier – ein eigenes Volk mit eigener Sprache, das den Süden Ägyptens und den Norden des angrenzenden Sudans bewohnt. Es ist eine Geschichte der Unterdrückung, wie sie im nubischen Museum in Assuan dokumentiert ist. Bis heute werden die Gourverneure aus dem fernen Kairo entsandt. Baba Dool, der Wirt vom Nubian House, glaubt auch nach der Revolution nicht, dass für den zurückgetretenen Mubarak-Günstling Mustafa el-Sayed ein Nubier kommt. Fotos dieses korrupten Stadthalters waren 2011 auf dem Tahrir-Platz verbrannt worden. Nubier seien es gewohnt, nicht repräsentiert zu werden, aber sind am Ende ihrer Geduld. Die in Assuan lebende zahlreiche koptische Bevölkerung auch.

Am nubischen Dorf scheint die Zeit spurlos vorbei gegangen zu sein, wäre nicht hin und wieder ein Handy-Fiepen zu hören, ein Haufen PET-Flaschen oder sonstiger Zivilisations-Müll zu sehen. Mensch und Tier lebt in bemalten strohbedeckten Lehmhütten aneinandergereiht. Regen gibt es hier ohnehin nie. Dazwischen verwinkelte Pfade, so eng, dass sie auch Fußgänger nur hintereinander durchqueren können. Autos braucht man auf der Insel ohnehin nicht.

Für Kontrast sogt die Aussicht auf das „Old Cateract Hotel“. Es thront auf einem Felsen über Assuan und ist aus jeder Perspektive von Elephantine aus zu sehen. Es bot Agatha Christi 1937 die Kulisse für ihren Roman „Tod auf dem Nil“. Vom verblassenden Charme zehrend,  logieren die Gäste hier zu 500 Euro die Nacht je Doppelzimmer. Geboten werden orientalisierender Kolonialstil der Jahrtausend-Wende mit Kellnern im Lifrée. Wir sitzen auf der Terrasse und stillen unseren nicht endenden Durst auf Nil-Blicke.

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Eid al Adha in Aswan

In den Tagen vor dem Eid al Adha Fest treiben die Bauern die Schafe und Ziegen, auch Kühe, in die Städte. Es ist wie ein Stück Vorbote und Vorfreude auf das Opferfest, das wichtigste islamische Fest, vergleichbar mit Weihnachten. Auch der Bäcker hat Hochkonjunktur.

Der Souq in Aswan ist am Vorabend brechend voll. Am Stand von Mohammed läuft das Geschäft: Kinderspielzeug, nicht Schals oder Hüte. Beim Tee schauen wir dem geschäftigen Treiben zu.

Am darauffolgenden Festtag ein völlig verwandeltes Bild, wenn im kleinen Kreis gefeiert wird. Der Markt ist wie ausgestorben, die meisten Geschäfte sind geschlossen.

Das Schlachten und Schächten folgt archaischen Ritualen, und wird gelebt. Vor unserem Haus im nubischen Dorf können wir zusehen, wie zwei Schafe geschlachtet werden. Später wird das Fleisch zu einem Drittel an die Armen verteilt, ein weiteres Drittel ist den Verwandten vorbehalten, und das letzte Drittel wird im engsten Familienkreis verspeist. In diesem Jahr – wird gemeldet – wurden in Ägypten eine halbe Million Schafe und 250.000 Ziegen, Kühe und sogar 25.000 Kamele geschlachtet, Gesamtwert: 2,7 Billion Ägyptische Pfund (320 Mio Euro). Verwertet wird, was verwertbar ist. Kadaver sind nicht zu sehen. Auf Elefantini hängen Felle zum Trocken auf Mauern und am Rande des Souq in Aswan bieten Fellachen sie stapelweise zum Verkauf an.

Im nubischen Dorf auf Elefantini, in dem wir unser Apartment bezogen haben, hat sich die Dorfgemeinde am zentralen Platz vor der Moschee versammelt. Die Männer tragen weiße Galabeyas. Junge Frauen laufen festlich bunt gekleidet durch das Labyrinth enger Gassen, um zu scherzen und zu schauen, wer einem da entgegenkommt. Man beglückwünscht sich allseits zum Fest, trifft Freunde und Bekannte, hält ein Schwätzchen. Wir sind überall willkommen, werden schon erkannt und begrüßt, und dürfen ein wenig dazu gehören.

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