„Ich werde alle Bäcker zur Rechenschaft ziehen, die sich weigern, die neue Brotpolitik der Regierung zu akzeptieren“, drohte vor wenigen Tagen ein Mursi-Vertrauter, der „Versorgungsminister“ Bassem Ouda. Was ist passiert? Die Regierung will in Bälde alle Subventionen auf Weizen, Mehl und Brot-Zwischenprodukte streichen und nur noch im begrenzten Umfang das „Endprodukt“, den Baladi-Fladen, subventionieren. 90 Prozent der Brotsubventionen droht somit das „Aus“, 11 Mrd. LE (ca. 1,2 Mrd Euro) will er Herr Ouda einsparen und gleichzeitig dem Schwarzmarkt die Grundlage entziehen. Denn hochsubventionierte Lebensmittel werden im großen Stil „abgezweigt“ und illegal mit Extraprofit verhöckert, während Brot (wie im Bild an einem Nilhafen) vertrocknet, verfault oder ans Vieh verfüttert wird, weil zu viel gebacken wird. Wo einem das Brot sozusagen nachgeschmissen wird, ist die Ehrfurcht in Desinteresse und Sorglosigkeit umgeschlagen, zum Schaden der wirklich Bedürftigen. Man kennt es, auch die Deutschen wissen um derartige Systemerstarrung.
Macht sich nun eine Endzeitstimmung a la DDR breit? So weit ist es nicht. Doch die Bäcker wollen nun in den Streik treten, ein Schlag in Mursis Magengrube. Die Sache eskaliert. Ein Blogger schreibt dieser Tage: „Bakers who go one strike will be shut down. Let’s see now. If the bakers close their shops, the government will shut them down? There is a disconnect with reality here. The bakers are probably the most powerful political force in Egypt today.“ Rainer Herret, Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Handelskammer in Kairo, kritisierte unlängst, dass die „Lebensmittel- und Heizölsubventionen die hier nicht existierende Sozialpolitik ersetzen“.
Da macht auch kein Ketschup den Subventionssandwich schmackhafter. Nun rächt sich, dass die Muslimbrüder keinen Plan haben, wie aus der Perversion in Richtung Moderne umzusteuern ist. Stattdessen wird am System Lebensmittelkarte herumgedocktort. Doch wenn Widerstand eskaliert, verschwinden die Pläne rasch in der Versenkung. Die Umsteuerung wird so kaum gelingen. Es offenbart sich, wie viel Kontinuität und wie wenig Aufbruchsgeist nach der Revolution – mit der zentralen Parole „Brot und Freiheit“ – in der Politik zu spüren ist.
Wir spazieren durch eine der vielen Nilinseln. Die Mais- und Weizenfelder stehen bereits hoch und wiegen leicht im warmen Frühlingswind. Doch die Idylle trügt. Bewirtschaftet werden die Weizenfelder mit Wasser, das aus dem Nil mit Dieselmotoren energieaufwändig hochgepumpt wird.
Entferntere Anbaugebiete werden über Kanäle versorgt, einige sind biologisch umgekippt, Müll und tote Tiere liegen im Morast. Vielfach werden Abwässer werden auf die Felder zurückgeleitet – eines der Grundprobleme der Landwirtschaft und eine tickende Zeitbombe für die Gesundheit der Menschen. Wasser- und Energieversorgung und letztlich die gesamte Landwirtschaft – alles ist hoch subventioniert, zunehmend importabhängig, die Bewirtschaftungsmethoden und Technologien veraltet, der Chemieeinsatz immens. Doch Brot ist Zukunft, und die beginnt in Ägypten „in just one minute“.